Meine ersten Wochenenden – von der „Kitchen-Party“ und der Farm


Bereits mein drittes Wochenende in Sambia neigt sich dem Ende. Doch viele fragen mich: „Wie sieht eigentlich ein typisches Wochenende bei dir aus?“ Die Antwort darauf: Es gibt kein typisches Wochenende, zumindest bisher noch nicht. Fünf Boardingkinder sind auch an den freien Tagen der Woche hier, was bedeutet, dass auch dann immer was los ist. Neben gemeinsamen Freizeitaktionen (heute zum Beispiel waren wir alle zusammen schwimmen) möchte ich euch von zwei besonderen Erlebnissen erzählen, die sich an den letzten zwei Samstagen ereigneten.


Die Farm:
Am letzten Samstag – der erste Samstag in meiner Gastfamilie – haben wir einen Ausflug zu Lukes Farm gemacht. Mit Luke, Lars (einem dänischen Freund, der ebenfalls freiwillig für eine Organisation arbeitet) und den Kindern ging es dann los: Nach einer halben Stunde Fahrt auf fester Straße folgten dann zehn Kilometer durch den Busch. Dabei passierten wir mehrere kleine Siedlungen mit Hütten und viele Einheimische, die uns interessiert hinterher schauten. Das erste Mal die Natur sehen, das erste Mal afrikanischer Busch! Allein die Fahrt hat mir deshalb schon so viel Spaß gemacht, aber einmal auf der Farm angekommen gab es viele Dinge zu entdecken; angefangen mit den Tieren, die dort leben: Neben ungefähr 5.000 Hühnern gibt es auch noch Schweine und Schafe, vergleichbar also mit einem Bauernhof. Neben den, sogar für mich, gewöhnlichen Tieren gab es aber dennoch einen großen Unterschied zu einer Farm, die in Mitteleuropa liegt: Man muss immer wachsam sein, überall können sich Schlangen oder ähnlich gefährliche Tiere befinden. Das Tier jedoch, welches mich am meisten ins Staunen gebracht hat war eine Hummel, die ungefähr fünfmal so groß wie die mir bekannten Hummeln war.

Die Kaffeepflanzen
Aber viel interessanter auf einer Kaffeeplantage war natürlich der Kaffee selbst. Es war spannend zu sehen, wie sich die Blätter der Kaffeepflanzen unterschiedlich verfärben, je nachdem wie viel Schatten sie haben. Luke hat uns viel fachliches Wissen übermittelt (wovon ich die Hälfte nicht verstanden, und die andere Hälfte zum Großteil wieder vergessen habe), er hat uns auch Geräte vorgeführt, mit denen man den Calcium(?)-Gehalt der Pflanzen ermitteln kann. Ich habe neu angebaute-, gerade frisch geschnittene- und momentan blühende Kaffeepflanzen gesehen. Ich habe auch eine Kaffeebohne direkt von der Pflanze probiert (bzw. nicht die Bohne selbst, sondern die Gelee-artige Masse, in der sich die Bohnen befinden und die leicht süßlich schmeckt).



Avocado Baum
Neben dem Kaffee gab es auch noch Zitronenbäume, die Luke anbaut. Wir haben eine ganze Zitrone frisch vom Baum gegessen (mit Schale!), das Aussehen und der Geschmack dieser Zitrone sind natürlich nicht vergleichbar mit den deutschen Industrie-Zitronen aus dem Supermarkt. Des Weiteren standen hier und da Avocado Bäume, die ich am aufregendsten fand (ich liebe Avocados). Während man bei uns in Deutschland ungefähr drei Euro pro Stück zahlen muss, kann man sie hier einfach in Massen vom Baum pflücken. Die Avocados auf der Farm waren leider noch nicht reif, zu meiner Begeisterung habe ich aber dann erfahren, dass wir auch einen Avocado Baum auf dem Boardinghaus-Grundstück haben (übrigens auch Zitronen Bäume).

Nach so vielen Eindrücken war die Autofahrt zurück durch den Busch, bei Sonnenuntergang, der krönende Abschluss eines aufregenden Tages.

Kaffeebohnen, die getrocknet werden



Die Kitchen-Party:
Gestern hat mein Gastbruder mit dreißig Kindern seinen Geburtstag nach gefeiert. Ich war gespannt auf den Tag, wusste aber nicht, ob und was meine Aufgaben sind. Doch es kam anders als erwartet: Claire (eine sehr gute Freundin von Steph und Luke, mit der ich auch bereits einige Abende verbracht habe) hat mich zu einer Kitchen-Party eingeladen. Ich hatte genau so wenig Ahnung, was das ist, wie ihr vermutlich gerade auch. In Gedanken musste ich anfangs an eine Tupper-Party denken, nach Claires kurzer Erklärung wurde mir dann aber klar, dass es sich dabei um ein traditionell sambianisches Fest handelt; das wollte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen!

Dort angekommen habe ich erstmal einigen unbekannten Frauen die Hand geschüttelt und im stotternden Englisch auf die Fragen in Bemba (der lokalen Sprache) geantwortet, von denen ich natürlich nichts verstanden habe. Das ganze Event war auf Bemba, so dass ich in meiner folgenden Erklärung auf die Übersetzungen Claires zurückgreifen muss:

Man kann eine Kitchen-Party mit unserem Junggesellenabschied vergleichen, zumindest vom Grundgedanken her. Auf so einer Party sind nur Frauen anwesend (abgesehen von ein paar Männern, die beim Organisieren geholfen haben, und dem Bräutigam selbst), und zwar um die hundert Frauen. Alle haben bunte Kleider getragen und sehnsüchtig auf die Braut gewartet; typisch sambianisch kam diese dann drei Stunden zu spät, begleitet von Tanz und Musik. Die Musik wurde teilweise über eine Anlage und Boxen gespielt, es gab aber auch eine Trommelgruppe mit Tänzern, die traditionelle afrikanische Trommelmusik gespielt haben. Ich bin aus dem Staunen nicht mehr raus gekommen; noch keine drei Wochen lebe ich hier und schon habe ich einen so tiefen Einblick in die Kultur bekommen, die sich so sehr von der unseren unterscheidet.

Nach der Braut wurde dann auch der Bräutigam (natürlich wieder mit Musik und Tanz) geholt und es wurden nach und nach Geschenke überreicht. Bei diesen Geschenken handelte es sich größtenteils um Kochutensilien, die der Braut geschenkt werden, um zu versichern, dass sie sich gut um den Mann kümmern wird (nicht gerade der europäische Gedanke von Emanzipation, aber als traditionelles, afrikanisches Fest eine schöne Erfahrung).
Es wurden Lieder gesungen, die der Frau verschiedene Dinge erklären, die natürlich erst nach der Eheschließung passieren. Und dann gab es Essen: wohl relativ untypisch für eine Kitchen-Party, wurden Salate und Fleisch verteilt, welches sich dann jeder auf den Grillen dort zubereiten konnte.
Nach einem köstlichen Essen, meinem ersten afrikanischen Bier (leider nicht sambianisch, sondern südafrikanisch) und weiteren Tanz- und Trommel-Einlagen, konnte ich noch Zebras besichtigen, die dort auf dem Gelände leben.
Als wir schließlich von Justin (Claires Mann) abgeholt wurden, haben wir in dem kleinen Pick-up ungefähr zwölf Frauen und fünf Trommeln mitgenommen, und die musikalisch untermalte Heimfahrt angetreten.

Kommentare

  1. Sehr schön, liebe Jessi. Ich würde gern was dazu schreiben, weiß aber nicht, ob es klappt! Ich freue mich sehr, dass du so viel Tolles erlebst!

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  2. Das ist ein wunderbarer Bericht. Klare Worte, Sätze, die man gleich versteht. Wäre toll, wenn auch dieser Blog mithelfen könnte, den ausgebeuteten Kontinent und seine wehrlosen Bewohner wieder in den Mittelpunkt des Welt-Interesses zu rücken. Mach weiter so, Jessi.
    Horst Stellmacher

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