Mein Alltag und wie es ist weiß zu sein


Von meinen Wochenenden in Sambia habe ich ja bereits schon etwas erzählt. Aber jetzt mal zu dem Eigentlichen, weswegen ich hier bin: Mein Alltag in meinem Projekt.

Mein Tag beginnt bereits sehr früh; um 5.30 Uhr klingelt mein Wecker. Die Boardingkinder müssen um 5.45 Uhr aufstehen, und es ist mein Job sie zu wecken. Wahrscheinlich ahnt ihr, dass das nicht immer so leicht ist: acht verschlafene Kinder, die am Vorabend bis tief in die Nacht gequatscht haben, statt zu schlafen, und sich wundern, warum sie am nächsten Tag so müde sind.
Während die Kinder sich dann mühsam aus dem Bett bewegen und sich dabei alle Zeit der Welt lassen, schmiere ich die Brote und fülle Saft in ihre Flaschen für die Schule. Zum Glück habe ich bei der morgendlichen Arbeit Hilfe von Alice, der Köchin des Boardinghouses. Fünf Minuten, bevor die Kinder das Haus verlassen müssen, kommen auch die letzten gemütlich in die Küche getrudelt, um sich ihr Frühstück (Porridge) abzuholen. Dabei bin ich jeden Morgen auf`s Neue überrascht, dass es alle rechtzeitig zum Bus schaffen, der um zehn Minuten vor sieben kommt und die Boardingkinder abholt. Da die Schule erst um acht Uhr beginnt habe ich noch etwas Zeit, um selber zu frühstücken, bevor ich dann zu Fuß zur Schule gehe; der Weg dauert ungefähr vierzig Minuten.


Zusammen mit Teacher Yvonne unterrichte ich Grade 1. Momentan sitze ich noch viel am Pult und helfe dabei, Aufgaben zu kontrollieren und Fragen zu beantworten. Auch wenn die meisten Kinder besser englisch sprechen können als ich, bin ich ihnen beim Schreiben und Lesen doch noch ein bisschen voraus. Mit der Zeit, und den wachsenden Erfahrungen, werde ich immer mehr und größere Aufgaben im Schulalltag übernehmen. Vermutlich werde ich in den nächsten Wochen den Schwimmunterricht für die meisten Klassen übernehmen. Die KIS hat einen Pool auf dem Schulhof, in dem den Kindern das Schwimmen beigebracht wird. Das Problem dabei: keiner der Lehrer kann schwimmen. Als ich Teacher Yvonne dann also gesagt habe, dass ich für Grade 1 den Schwimmunterricht übernehme, kamen ganz schnell alle anderen Lehrer auf mich zu. Aber Genaueres dazu werde ich wohl frühestens in zwei Wochen erfahren.
Um 13.00 Uhr habe ich dann frei. Meistens haben die Kinder auch nachmittags Unterricht, so dass ich dann zu Hause meine Mittagspause habe. In dieser Zeit genieße ich meine Ruhe und plaudere ein wenig mit Steph und Luke.

Wenn die Kinder dann gegen vier Uhr wiederkommen, ist es wieder mein Aufgabe dafür zu sorgen, dass Hausaufgaben gemacht werden, immer alles aufgeräumt wird und alle rechtzeitig zum Essen fertig geduscht sind. Um 8.00 Uhr ist dann Schlafen angesagt, was sich – wie bereits erwähnt – auch nicht immer als ganz einfach herausstellt.
Nach einer weiteren Stunde des nun ruhigen Abends gehe dann auch ich meist zu Bett, da der nächste Tag ja wieder sehr früh beginnt.


Ich komme aus einer Großstadt Europas, bin in einem sozialen und liberalen Umfeld aufgewachsen. Was geht euch durch den Kopf, wenn ihr auf der Straße oder sonst wo eine dunkelhäutige Person seht? Habt ihr dabei überhaupt einen besonderen Gedanken? Oder nehmt ihr diese Person, wie alle anderen Personen wahr? Ich persönlich denke mir nichts anderes. Zugegebenermaßen habe ich mich in den letzten Wochen in Deutschland ab und zu gefragt, ob diese Person vielleicht aus Sambia kommt; aber das war eine temporäre, persönliche Sache, die mit meiner Aufregung und meinen vielen Fragen zusammenhing.
Jetzt bin ich zum ersten Mal in meinem Leben auf der anderen Seite, jetzt bin ich Diejenige, mit der anderen Hautfarbe, Diejenige, die von einem anderen Kontinent kommt.

Ich hatte ein Vorbereitungsseminar, ich war darauf vorbereitet, dass mich andauernd alle angucken, mich viele Leute ansprechen, mich Leute berühren wollen. Zumindest war ich der festen Überzeugung, ich sei darauf vorbereitet. Nur wenige Tage in meiner neuen Welt, haben mir gezeigt, dass das nicht der Fall ist. Mir geht es deswegen nicht schlechter, aber andauernd schwebt mir eine Frage vor: Warum?

Warum denken die Leute, es sei begehrenswert ein weiße Person anzufassen? Warum sagen Kinder (!), dass sie sich nicht mehr waschen werden, nachdem sie mich umarmt haben? Warum werde ich von kleinen Mädchen auf der Straße angesprochen, die mit mir befreundet sein wollen. Warum denken junge Frauen, ich sei so viel schöner, nur weil ich weiß bin?
Natürlich kann man sich auch fragen, ob das alles nur an meiner Hautfarbe, oder vielleicht auch anderen Faktoren eine Rolle spielen. Aber wenn man das selbst erlebt, wie alle, ausnahmslos alle, den Blick heben, wenn man einfach nur über die Straße geht, dann weiß man einfach, dass es doch nur an meiner Hautfarbe liegt.

Ich verstehe, wie man denken kann, dass ich aus Europa komme und reich bin (für die Verhältnisse hier bin ich das vielleicht auch); deswegen verstehe ich auch, dass ich auf meinem Schulweg fünfmal gefragt werde, ob ich ein Taxi brauche. Ich verstehe auch, warum Männer einem Heiratsanträge machen – ist mir zum Glück noch nicht passiert. Aber warum werde ich automatisch mit Schönheit und Begehren assoziiert?

Vermutlich wird das so etwas wie meine Baustelle in diesem Jahr. Ich werde es mich immer wieder fragen und die Antworten, die ich von Einheimischen bekomme, werde ich nie verstehen.
Ich weiß, dass ich „reich“ bin, ich weiß, das ich eine junge und unverheiratete Frau bin. Aber trotzdem frage ich mich: Wisst ihr denn nicht, dass sich mein Land und mein Kontinent in der Vergangenheit sehr schuldig gemacht hat über den Zustand des heutigen Afrikas?

Ein Grund, weswegen ich hier bin, ist um damit einen kleinen Teil wieder gut zu machen; auch wenn es nur symbolisch ist. Ich möchte nach Hause zurück kommen und den Leuten in Deutschland ins Bewusstsein rufen, wie gut es uns doch geht, und wie viele Menschen auf der anderen Seite stehen und darunter leiden müssen.

Also warum schauen die Einheimischen hier zu mir hoch, statt Europa für unsere gemeinsame Geschichte zu verurteilen? Natürlich will ich nicht, dass ich oder ein anderer Europäer dafür verantwortlich gemacht wird, aber ich will auch nicht für etwas in den Himmel gelobt werden, was ich mal nicht bin.



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